i Wilhelm
Sandermann:
Ausschnitte aus dem Buch: "Das erste Eisen fiel vom Himmel"
Das erste nützliche Metall, das der Mensch verarbeitete. war Kupfer. Der älteste
Kupferfund - und zugleich der älteste von Menschen geformte
Metallgegenstand - ist ein Anhänger aus der großen Höhle Shanidar im
Zagrosgebirge im Irak. Er stammt aus der Zeit um 9500 v.Chr., ist also über 11
000Jahre alt. Im Jahre 1961 wurden vier Kupferobjekte aus der Zeit um 7200v.
Chr. in der Türkei gefunden und weitere aus den nächsten Jahrtausenden. Alle
diese Funde sind aus natürlich vorkommendem Kupfer gefertigt. Erst um 4000 v.
Chr. begann man mit der Gewinnung von Kupfer aus Erzen. Diese Erfindung mag man
im Töpferofen gemacht haben, in dem man die erforderliche Temperatur von 1100°C
erreichte und auch Reduktionsluft zur Verfügung hatte. Später entwickelte man
besondere Schmelzöfen.
Jene im ägyptischen Kupferzentrum von Timna in der Negev-Wüste wurden statt mit dem Blasebalg durch den stetig wehenden Nordwind belüftet. Die dortige Industrie benötigte für die Reduktion des Kupfererzes Malachit so viel Holzkohle, dass die dortigen Waldgebiete bald vernichtet waren.
Ein großes Kupfererzgebiet bestand um 800 v. Chr. in den österreichischen Alpen im Gebiet von Mitterberg. Schächte von 120 m Länge wurden in den Berg getrieben, in denen auf Holzschlitten (»Hunde«) Grubenholz und Erze transportiert wurden. Im Umkreis von 1,5 km gab es 32 Gruben, in denen je 180 Mann arbeiteten, die in Bergleute. Holzfäller, Ofenbetreuer und Hilfskräfte eingeteilt waren.
In anderen Gebieten waren die Kupfererze mit Verbindungen des Arsens, Antimons, Nickels und anderer Elemente verunreinigt. so daß nach der Verhüttung nicht reines Kupfer, sondern Legierungen des Kupfers mit solchen Metallen entstanden, die man unter der Sammelbezeichnung »Bronzen« zusammenfaßt. So wurden im Kaukasus und Indus-Tal sowie in Ägypten und Ungarn Arsenbronzen hergestellt, die zwar brüchig und hart waren, sich aber gut gießen ließen. Die ältesten Gegenstände aus Arsenbronze fand man 1961 in der »Schatzhöhle« am Toten Meer. Es handelte sich um 429 Gegenstände aus der Zeit um 3000 v. Chr., darunter 10 Kronen. Andere Bronzen enthielten sogar Nickel, Antimon oder Blei. Um etwa 3000 v. Chr. tauchte im Indus-Tal und in Sumer zum ersten Mal Zinnbronze auf. Diese echte Bronze ist kein Ergebnis gezielter Forschungsexperimente, sondern verdankt ihre Entstehung dem reinen Zufall. Sobald Kupfer und Zinnerz zusammen verhüttet werden, entsteht die schlicht »Bronze« genannte Zinnbronze. Gegenüber dem Kupfer hat sie zwei wesentliche Vorteile: sie schmilzt tiefer als Kupfer und ist härter als dieses. Damit war sie das ideale Material für den Guß von Werkzeugen wie Beilen, Schwertern, Gefäßen und auch Schmuck.
Erst als die Bedeutung des Zinns in der Bronze voll erkannt war setzte sich die Bronzezeit allgemein durch. Der Bedarf an Kupfer und Zinn stieg beachtlich. Statt der knappen oxidischen Kupfererze wurden mehr und mehr sulfidische verhüttet. Der Verarbeitungsprozeß wurde weit komplizierter, aber man meisterte die Probleme. Neben Kleinasien, Zypern und Mazedonien war Spanien in der Römerzeit das wichtigste Exportland für Kupfer. Zwar gab es auch in Italien, im ehemals etruskischen Gebiet, Kupfervorkommen, doch stoppte der römische Senat deren Ausbeutung, indem er sie zu strategischen Reserven erklärte.
Wegen seiner Verwendung in der Bronzeherstellung war Zinn eines der
begehrtesten Metalle. Da es in Ägypten nicht vorkam, setzte dort die Bronzezeit
später als in anderen Mittelmeerländern ein. Gewisse Mengen konnte Kleinasien
und Spanien liefern. Als die Produktion in diesen Ländern nachließ, schlug die
Stunde Britanniens. Das Monopol des Zinnhandels lag in den Händen der Phönizier.
Doch konnten diese nicht verhindern, daß sich die Griechen nach Gründung ihrer
gallischen Kolonie Marseille in dieses einträgliche Geschäft einschalteten.
Zwar war ihren Schiffen durch die phönizische Blockade der Straße von
Gibraltar der Seeweg versperrt, doch wählten sie den Landweg quer durch
Gallien.
Die Herstellung von Bronze mit reinem Zinn führte zu weit besseren Ergebnissen
als die mit Zinnerz. Zinn wurde auch allein verwendet, beispielsweise zum Löten,
zum Verzinnen kupferner Gefäße, zur Herstellung von Knöpfen und kleineren
Gegenständen. Auch in den vorspanischen Kulturen Südamerikas war Zinn- und
Arsenbronze bekannt. Bisher ist allerdings noch die Frage offen, wo dort die
Zinnbronze zuerst auftrat. Die ältesten Funde von Zinnbronze stammen aus dem nördlichen
Argentinien, doch ist es möglich, daß die Erfindung selbst im zinnreichen
Bolivien gemacht wurde.
Im Jahre 1691 ließ sich der Engländer Thomas Neale durch das Patent Nr. 273
die Herstellung von Messing, einer Kupfer-Zink-Legierung, schützen. Diese
Patentierung war nur möglich, weil die Erfindung des Messings aus der Zeit um
1000 v. Chr. bereits in Vergessenheit geraten war. Damals hatte ein unbekannter
Technologe durch Erhitzen von Kupfer mit Zinkoxid und Kohle bei 1300° eine glänzende
Legierung von gelbgoldener bis fast weißer Farbe erhalten, eben Messing. Er gab
sein Geheimnis nicht preis, so daß spätere Reproduktionsversuche stets zu
einem Produkt schlechterer Qualität führten.
Nach einer sehr ernst zu nehmenden Studie scheint aber auch dieser frühe
Erfinder Vorgänger gehabt zu haben. In Petrie in Ägypten wurde nämlich
Messing aus der vordynastischen Zeit gefunden und in Gezer in Palästina ein
Messing mit 23 % Zink aus der Zeit zwischen 1400 und 1000 v. Chr. Messing wird
bei Plato (429 bis 347 v. Chr.) als »Bergkupfer« erwähnt und von Mitgliedern
der Schule des Aristoteles ( 1. Jahrhundert v. Chr.) als indisches oder
persisches goldfarbenes Metall beschrieben. Zur Zeitwende fand Messing weite
Verwendung. Die wichtigsten Verarbeiter saßen auf Zypern und später in Köln.
Die Legierung wurde wegen ihres goldenen Aussehens, ihrer Härte und der
leichten Bearbeitbarkeit hoch geschätzt, doch machen Plinius und andere
Schriftsteller über das Herstellungsverfahren keine Angaben. Zur Zeit
Diokletians (284 bis 305 n. Chr.) war Messing sechs- bis achtmal teurer als
Kupfer. In Abessinien wurde es sogar höher als Silber bewertet. Von Persien aus
gelangte die Technik der Messingherstellung im 6. Jahrhundert n. Chr. nach
Indien und 200 Jahre später nach China.
Messing wurde nicht durch Verschmelzen von Kupfer mit Zink gewonnen, sondern durch einen Verhüttungsprozeß mit Zinkoxid oder Zinkkarbonat (Galmei) erhalten. Metallisches Zink wurde in Europa erst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts industriell gewonnen. Durch chemische Analysen von Metallfunden wurde allerdings der Beweis erbracht, daß ab 500 v. Chr. hier und da - wohl zufällig - kleine Mengen Zink gewonnen wurden. Wie auf vielen Gebieten der Metallurgie war China anscheinend dem Abendland weit überlegen. Schon 600 n. Chr. soll dort Zink und zu Münzen und Spiegeln verarbeitet worden sein.
Kupfer und seine vor allem Bronze wurden zu Waffen, Geräten, Gefäßen und
Kunstwerken verarbeitet. Die Gießtechnik ermöglichte sogar die Herstellung
monumentaler Werke Zu den frühesten Meisterwerken des Bronzegusses gehören die
prachtvollen Bronzegefäße aus der Chang-Zeit Chinas ( 1700 bis 1100 v. Chr.)
mit Verzierungen die anscheinend der Holzschnitzerei entnommen wurden. Die
Chinesen kannten damals noch nicht den Guß in verlorener Form, sondern gossen
ihre wunderbaren Gefäße in komplizierten
zusammengesetzten Formen. Von dem Können elamitischer Bronzegießer zeugt die
etwa 2 t schwere lebensgroße Statue der Königin Napir-asu aus der Zeit um 1300
v. Chr., die in einem Stück gegossen wurde. In der Bibel ( 1. Könige 7) werden
riesige bronzene Gegenstände für den Tempel Salomos eingehend beschrieben.
Dort ist die Rede von einem riesigen Wasserbecken, dem Meer
das von 12 bronzenen Rindern getragen wurde, von 10 ehernen Gestühlen Töpfen,
Schaufeln, Becken und den beiden hohen Bronzesäulen für den Tempeleingang mit
Namen »Jachin und Boas«. Die bekannte »kapitolinische Wölfin« Roms ist eine
etruskische Bronzeplastik aus dem 5. bis 4. Jahrhundert v.Chr., bei der die
Zwillinge Romulus und Remus allerdings eine Zutat aus der Renaissance
sind.
....
Unter Wissenschaftlern wurde lange Zeit diskutiert, ob im Altertum bereits Aluminium bekannt gewesen sei. Man glaubte, daß ein Bericht des Plinius auf dieses schwer herstellbare Metall verweise. Dieser Schriftsteller berichtete: »Ein römischer Handwerker erschien vor dem Kaiser Tiberius und behauptete, aus Ton ein Metall freigemacht zu haben, das im Aussehen dem Silber ähnlich sei. Er hatte daraus einen Becher gefertigt und zeigte diesen dem Kaiser vor. Um auf den Kaiser einen noch besseren Eindruck zu machen und seine Behauptung zu unterstützen, ließ er den Becher fallen, wobei dieser eine kleine Beule erhielt, die aber mit leichten Hammerschlägen wieder entfernt werden konnte. Das Metall sah also nicht nur wie Silber aus, sondern war auch duktil wie dieses. Tiberius fragte den Handwerker: Wer kennt das Geheimnis des Gewinnungsverfahrens? - Ich allein und Jupiter, antwortete der Erfinder. Darauf ließ Tiberius ihn umbringen und seine Werkstatt zerstören, weil er fürchtete, daß Gold und Silber durch das neue Metall entwertet werden könnten.«
Da Aluminium nur elektrolytisch, mit Hilfe von Natrium oder durch Reduktion
mit Kohle bei Temperaturen um 1800° gewonnen werden kann - unter Bedingungen,
die im Altertum gewiß unbekannt waren -, muß es sich um ein anderes Metall
oder eine Legierung gehandelt haben. Vielleicht war es Neusilber, eine Legierung
aus Kupfer, Nickel und Zink. Hierüber liegen aus dem Mittelmeergebiet keine näheren
Angaben vor. Die Legierung, entstellt jedoch leicht durch Verhütten von Kupferhüttenschlacke
mit Zinkerz und Holzkohle. Auch Kupfer-Nickel-Legierungen haben das silbrige
Aussehen des Aluminiums. Diese waren im Altertum hier und da durchaus bekannt.
So wurden aus solcher Legierung in Baktrien bereits 235 v. Chr. Münzen
hergestellt. Hätte man im Ansatz noch Zinkerz mit verhüttet, so wäre
Neusilber entstanden. Ob somit der auf dem Altar der Wirtschaftspolitik
geopferte Handwerker für die Erfindung oder Nacherfindung von Neusilber seinen
Kopf verlor, läßt sich heute nicht mehr feststellen.
Als 1826 der Sachse Geitreraus Lößnitz für die Herstellung von Neusilber ein
Patent nahm, erging es ihm wie vielen anderen auch. Er war nicht Erst-, sondern
Nacherfinder. Schon sehr lange vorher hatte man im Innern Chinas die
Kupfer-Nickel-Legierung »Pakfong« entwickelt, die in Kanton noch mit Zink
verarbeitet und exportiert wurde. So gelangte Neusilber nach Europa, wo es sich
großer Beliebtheit erfreute. Als Alpaca wird es noch heute gern für Eßbestecke,
Instrumente, Uhren und Schmuck verwandt. Doch nicht nur in China wurde vor
Geitrer Neusilber hergestellt, sondern auch im Raum Hildburghausen. Hier gewann
man die silbrige Legierung schon ab 1740 - 86 Jahre vor Geitrer - aus Kupferhüttenschlacke
einem Abfallprodukt. Diese Geschichte zeigt abermals. wie problematisch es oft
um angebliche Erfindungen bestellt ist: Neues ist oftmals schon uralt! 1957
publizierte der chinesische Archäologe Yan-Hang in der Zeitschrift »Si Yao«
einen aufsehenerregenden Bericht über einen Fund aus der Chin-Zeit (250 bis 313
n. Chr.). Im Grabhügel eines berühmten Generals fand man verschiedene,
guterhaltene Metallstücke einer Gürtelschnalle. Bei einigen Objekten handelte
es sich um Silberbronze, doch ein Stück bestand auf Grund der Analyse aus 85
Aluminium, 10 Kupfer und 5 % Mangan. Für Chemiker und Metallurgen erschien
diese Meldung glattweg unglaubwürdig, da man sich nicht denken konnte, daß im
Alten China bereits die Voraussetzungen für die Herstellung einer solchen
Aluminiumlegierung überhaupt gegeben waren. Man wies daraufhin, daß dafür
Temperaturen von etwa 1800° erforderlich seien, die gerade erst in unserem
technischen Zeitalter erreicht wurden. Jedoch ließ das Spektrogramm keinen
Zweifel an der Zusammensetzung der Legierung.
Inzwischen haben sich Kapazitäten mit dem Rätsel der altchinesischen
Aluminiumlegierung befaßt. In der Tat ist es außerordentlich schwierig,
Aluminiumoxid, wie es in China für die Porzellanherstellung benutzt wird,
selbst bei sehr hohen Temperaturen mit Kohle zu Aluminium zu reduzieren. Jedoch
weist Yan-Hang darauf hin, daß es möglich ist, bei 1600° aus einer innigen
Mischung von Aluminiumoxid. und Kupfer in Gegenwart von Borax als Flußmittel
und von feinverteilter Kohle als reduzierendem Anteil eine
Kupfer-Aluminium-Legierung mit etwa a 30 % Aluminium zu erhalten. Die Chinesen
besaßen gewiß die technischen Voraussetzungen, derartige Reaktionen durchzuführen.
Hohe Temperaturen erreichten sie in den Verfahren zur Herstellung von
Protoporzellan und
Gußeisen. Sachkenner halten es sogar für möglich, daß man in der Chin-Zeit
bis 1800° erhalten konnte. Rätselhaft erscheint einigen Metallurgen der
Umstand, daß diese kupferarme Aluminiumlegierung während so langer Zeit
erhalten blieb, da Legierungen ähnlicher Zusammensetzung im allgemeinen leicht
korrodieren. Doch möglicherweise könnte der Anteil von 5 Mangan einen
stabilisierenden Einfluß haben. Wenn auch die Herstellung der beschriebenen
gewiß ein Zufallstreffer war, so ist sie doch ein Zeugnis vorn hohen Stand
altchinesischer Metallurgie. Erst über 1600 Jahre später wurde die Legierung
neu »erfunden«.
Autor: | Wilhelm Sandermann |
Titel: | Das erste Eisen fiel vom Himmel |
Kurzbeschreibung: | Frühe Erfindungen der Menschheit |
Preis: | |
ISBN-Nummer: | 3-570-01945-4 (vergriffen) |
Klappentext: |
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|
Bearbeitung (www): | Klaus-G. Häusler |
Quelle: | http://www.buch.de
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© 2002 HMTC
- Halbmikrotechnik Chemie;
Klaus-G. Häusler; haeusler[at]muenster[dot]de;
uiw/fach/matnatlex/literatur/inhalt/sandermann1.htm 18.12.03