1 Gliederung: Giftige und ätzende Gase
2 Ziele und Inhalte
3 Experimente für den Unterricht
4 Alltags- und Umweltbezüge; Materialien
4.1 Kohlenstoffmonooxid
4.1.1 Berechnungsbeispiel für die Belastung durch Kohlenstoffmonooxid von Autoabgasen
4.1.2 Berechnungsbeispiel für Kohlenstoffmonooxid aus Ameisensäure
4.1.3 Zeitungsmeldung: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.12.91
4.2 Ammoniak
4.2.1 Zeitungsmeldung Westfälische Nachrichten vom 10.09.92
4.3 Stickstoffoxide
4.3.1 Berechnungsbeispiel zur Darstellung von Stickstoffdioxid
4.3.2 Zeitungsmeldung Kölner Anzeiger vom 8.1.93
4.4 Schwefelwasserstoff
4.5 Literaturhinweise
5 Beispiele unterrichtlicher Sequenzen
4 Alltags- und Umweltbezüge; Materialien
4.1 Kohlenstoffmonooxid
4.1.1 Berechnungsbeispiel für die Belastung durch Kohlenstoffmonooxid von Autoabgasen
Die folgende Abschätzung soll die Größenordnung der Umweltbelastung durch eine Autofahrt von 100 km darstellen. Die Berechnungen enthalten eine Vielzahl von Vereinfachungen.
Die mögliche Belastung durch den Chemieunterricht bei der Darstellung von Kohlenstoffmonooxid wird gegenübergestellt.
Welche Luftbelastung mutet man der Umwelt zu, wenn man 100 km, z.B. von Köln nach Dortmund, mit dem Auto fährt?
Grundlage der Berechnung sei der Verbrauch eines kleinen Autos, das bei sparsamer Fahrweise 7 L (6 kg) Benzin auf 100 km Entfernung verbraucht. Da Benzin aus Kohlenwasserstoff-Verbindungen besteht, entstehen Kohlenstoffdioxid und Wasser als Verbrennungsprodukte.
Benzin ist keine einheitliche und durch eine Formel beschreibbare Substanz. Mit einer gewissen Annäherung kann man aber eine Beispielrechnung für Oktan mit der Summenformel C8H18 vornehmen. Bei vollständiger Verbrennung erfolgt diese nach folgendem Reaktionsschema:
2 C8H18 + 25 O2 -> 16 CO2+ 18 H2O.
Molmassen: 118 32 44 18 g*mol-1
Es verbrennen 2 Mol Oktan mit 25 Mol Sauerstoff zu 16 Mol Kohlenstoffdioxid und 18 Mol Wasser. Unter Beachtung der Molmassen läßt sich darlegen, daß 228 g Oktan sich bei vollständiger Verbrennung mit 800 g Sauerstoff umsetzen zu 704 g Kohlenstoffdioxid und 324 g Wasser.
Dem betrachteten Massenverhältnis von Oktan und Sauerstoff entsprechend werden für die Verbrennung von 6 kg Oktan 21 kg Sauerstoff benötigt. Dabei entstehen gleichzeitig 18,5 kg Kohlenstoffdioxid und 8,5 kg Wasser.
Unter Einbeziehung der allgemeinen Gasgleichung ergibt sich, daß bei mittlerem Luftdruck und einer Temperatur von 20 °C 15790 Liter Sauerstoff benötigt werden, um 10090 Liter Kohlenstoffdioxid zu erzeugen. Das Volumen des Wasser kann bei dieser Berechnung des Abgasvolumens unberücksichtigt bleiben, da es bei der Temperatur von 20 °C als Flüssigkeit anfällt.
Luft besteht zu rund 21 Vol-% aus Sauerstoff. Um 15790 Liter Sauerstoff für die Verbrennung zu erhalten, werden als 75190 Liter Luft benötigt und 69490 Liter Abgas gebildet.
Das Auto produziert bei den oben genannten Bedingungen demnach rund 70 m3 Abgas.
Die Belastung der Umwelt geschieht aber nicht nur durch den Entzug von Sauerstoff und Anreicherung des Kohlenstoffdioxids mit seinem erhöhten Treibhauseffekt, sondern auch durch die Bildung von giftigen Gasen, insbesondere die Bildung von Kohlenstoffmonooxid.
Das Abgas eines Autos ohne Abgaskatalysator darf bis ca. 1 Vol-% Kohlenstoffmonooxid enthalten. Nimmt man zur Vereinfachung der Betrachtung an, daß dieser Wert bei der Fahrt von 100 km vorliegt, dann produziert das Auto 0,7 m3 Kohlenstoffmonooxid (CO).
Der MAK-Wert für Kohlenstoffmonooxid liegt bei 30 ml*m-3.
Wieviel Kohlenstoffmonooxid kann ein Klassenraum mit ca. 150 m3 maximal ohne Überschreitung des MAK-Wertes aufnehmen?
Ein "Normklassenraum" (150 m3) kann bis zum MAK-Wert 150 * 30 ml = 4,5 l Kohlenstoffmonooxid aufnehmen.
Diese Stoffportion wird selbst bei unvorsichtigem Arbeiten in Schulexperimenten in den seltensten Fällen erreicht.
In welcher Zeit würde ein Automotor die gleiche Menge Kohlenstoffmonooxid produzieren?
Unter den vorher abgeschätzten Bedingungen produziert der Automotor 700 Liter Kohlenstoffmonooxid in einer Stunde. 4,5 Liter entstehen demnach bereits in einem Zeitraum von ca. 23 Sekunden.
So gesehen versteht man die extreme Vergiftungsgefahr beim Laufenlassen von Motoren in Kraftfahrzeug-Garagen und Autowerkstätten und die extreme Belastung der Umwelt an verkehrsreichen Kreuzungen mit Ampeln und viel stehendem Verkehr.
Diese Abschätzung zeigt trotz der vielen vereinfachenden Annahmen die große Belastung der Luft durch Verbrennungsmotoren. Sie gibt Gelegenheit, im Unterricht bei der Diskussion von Kohlenstoffmonooxid auf verantwortbares Handeln im persönlichen Bereich hinzuweisen. Dieses könnte im täglichen Leben Verzicht auf unnötige Benutzung von Kraftfahrzeugen, Anschaffung von Katalysatorfahrzeugen u.v.a.m. bedeuten.
Für den Chemieunterricht bedeutet verantwortbares Handeln, Gefahrenabschätzungen vorzunehmen und diese beim Experimentieren zu berücksichtigen.
4.1.2 Berechnungsbeispiel für Kohlenstoffmonooxid aus Ameisensäure
Als Berechnungsgrundlage dient ein "Normklassenraum" von V(Klasse) ©= 150 m3.
Die der Beurteilung zugrunde gelegten Werte für Ameisensäure sind: M = 46,03 g*mol-1; ddr = 1,22 g*cm-3; VbF-Klasse AII; Wassergefährdungsklasse 1; MAK-Wert = 9 mg*m-3 (5mL*m-3).
Die hohe Siedetemperatur der Ameisensäure lässt es unwahrscheinlich erscheinen, daß bei normalem Gebrauch unter dem Abzug eine Gefährdung in der Klasse entsteht. Nimmt man jedoch gleichmäßige Verteilung von Ameisensäure im "Normklassenraum" an, so wird der MAK-Wert bei vollständiger Verdampfung von
m(Ameisensäure) = 150 m3 * 0,009 g*m-3 = 1,350 g überschritten,
das entspricht etwa v(Ameisensäure) = 1,1 mL.
Zur Berechnung, wieviel Kohlenstoffmonooxid aus dem Volumen v(Ameisensäure) = 1 ml mit konzentrierter Schwefelsäure freigesetzt werden können (vollständigem Umsatz vorausgesetzt), folgt man der Gleichung:
HCOOH ---> CO + H2O
Mit m(Ameisensäure) = 1,2 g und n(Ameisensäure) = 1,2 g / (46 g*mol-1)) ergibt sich die Stoffmenge n(Ameisensäure) = 26 mmol.
Das entspricht einem Kohlenstoffmonooxid-Gasvolumen bei Zimmertemperatur und p = 1013 hPa von V(CO) = 626 mL. Der MAK-Wert (CO, 30 mL*m-3) wird demnach keinesfalls im "Normklassenraum", V(Klasse) = 150 m3, überschritten.
Für die zu demonstrierenden Umsetzungen von Kohlenstoffmonooxid (Kap. 3.1) reicht der Ansatz in der Regel aus. Üblicherweise werden ca. 50 bis 100 mL Kohlenstoffmonooxid in den Experimenten benötigt.
4.1.3 Zeitungsmeldung: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19.12.91
Abb. (FAZ): "Fünf Wohnsitzlose starben an Kohlenmonoxyd-Vergiftung" HEILBRONN, 18. Dezember (dpa)
Fünf am Mittwoch tot in einem Heilbronner Abbruchhaus entdeckten Obdachlose sind an Kohlenmonoxyd-Vergiftung gestorben. Sie hatten in einem Keller des Gebäudes ein offenes Feuer gemacht. Dies sagte ein Polizeisprecher am Nachmittag in Stuttgart. Er berichtigte damit erste Angaben, wonach die Obdachlosen an Kohlendioxydvergiftung starben, weil sie in den Raum einen "Kanonenofen" gebracht und in Betrieb genommen hatten.
Bei den Toten handelt es sich um drei Männer und zwei Frauen. Nach den Ermittlungen der Polizei hatten die Obdachlosen das offene Feuer in dem Kellerraum nur mit Steinen abgegrenzt. Um den Wärmeeffekt zu erhöhen, dichteten sie den Raum ab. Deswegen konnte das giftige Kohlenmonoxyd, das unter anderem beim Verbrennen von Holz entsteht, nicht entweichen. Zur Verbrennung seien herumliegende Gegenstände benutzt worden."
4.2 Ammoniak
4.2.1 Zeitungsmeldung Westfälische Nachrichten vom 10.09.92
"Ammoniak-Unfall ging glimpflich ab -chb- MÜNSTER(eig.Meld.)"
"Mit dem Schrecken davon kamen gestern morgen die Mitarbeiter der Münsterischen Schlachtvieh-Verwertungsgesellschaft, als es zu einem Ammoniak-Unfall kam. Sie mußten für anderthalb Stunden das am Rand der Innenstadt gelegenen Schlachthofgebäude verlassen, nachdem bei Wartungsarbeiten an der Kühlanlage ein Schieber abgebrochen war und sich das Ventil nicht mehr hatte schließen lassen. Ein Teil des stark ätzenden Kühlmittels floß aus, bevor Feuerwehr und Wartungsfirma das Leck schließen konnten. Die Dämpfe wurden mit Wassernebel niedergeschlagen und neutralisiert."
4.3 Stickstoffoxide
4.3.1 Berechnungsbeispiel zur Darstellung von Stickstoffdioxid
Zur Demonstration der Druckabhängigkeit der Gleichgewichtslage bei Gasen wird häufig das Gleichgewicht NO2/N2O4 herangezogen. Dazu ist die Darstellung von Stickstoffdioxid aus Kupfer und Salpetersäure der Pyrolyse von Bleinitrat vorziehen. Dabei erweisen sich als vorteilhaft
- die kleinen benötigten Stoffportionen,
- die problemlose Handhabung der Edukte,
- die einfachen Reaktionsbedingungen,
- die günstige Entsorgungsmöglichkeit der Produkte.
An dieser Stelle sollen die Stoffportionen der Edukte berechnet werden, wie sie zur Demonstration der Druckabhängigkeit mit einem Glaskolbenprober benötigt werden. Dazu werden ca. 5 mL Stickstoffdioxid benötigt, die man zur besseren Sichtbarkeit mit ca. 20 mL Luft verdünnt.
Darstellung des benötigten Stickstoffdioxids:
Die Reaktion erfolgt nach dem Reaktionsschema
Cu + 3 HNO3 -> Cu(NO3)2 + H2O + 2 NO2.
Mit den molaren Massen M
M(Cu) = 63,5 g*mol-1;
M(HNO3) = 63 g*mol-1;
M(Cu(NO3)2) = 187 g*mol-1;
M(H2O) = 18 g*mol-1;
M(NO2) = 46 g*mol-1 ergeben sich die folgenden Stoffportionen bei vollständigem Umsatz des Kupfers:
10 mg Cu -> 14,5 mg NO2 # 7,5 mL Gas NO2.
Der Versuch wird nach Abschnitt 3.4.2 durchgeführt. Eine Gefährdung durch Stickstoffoxide ist nicht zu erwarten.
Der MAK-Wert für Stickstoffdioxid (NO2) beträgt 5 mL*m-3 bzw. 9 mg*m-3. Mit der berechneten Stoffportion von 14,5 mg würden also etwa 1,5 m3 Luft bis zur Grenze des MAK-Wertes belastet.
Mehrere Gründe bewirken, daß es jedoch nicht zu einer dermaßen großen Luftbelastung kommt:
1) Ein Teil des Stickstoffdioxids bleibt in der Salpetersäure gelöst.
2) Bei einem eingespannten Reagenzglas wird die Luft über der Oberfläche kaum bewegt. Die größere Dichte des Stickstoffdioxids bewirkt, daß sich das Gas dicht über der Oberfläche der Salpetersäure im Reagenzglas sammelt und nur unwesentlich austritt.
3) Der Versuch kann jederzeit durch vorsichtiges Verdünnen mit Wasser abgebrochen werden.
4) Der Abstand der Reagenzglasmündung im Abzug vom Experimentator ist in der Regel größer als 0,7 m. Eine Kugel mit diesem Radius besitzt ein Volumen von 1,4 m3.
4.3.2 Zeitungsmeldung Kölner Anzeiger vom 8.1.93
"Ein giftiges Gas wird hoch geehrt"
"Pünktlich zum Jahreswechsel kürt die amerikanische Wissenschaftszeitschrift "Science" regelmäßig ein "Molekül des Jahres". Diesmal fiel die Wahl auf das Stickstoffmonooxid (NO), ein farbloses, giftiges Gas, das sich, sparsam dosiert, im Organismus als "Tausendsassa" mit immer neuen Aufgaben erweist. Es ist an der Regulation des Blutdrucks beteiligt und leistet im Immunsystem und als Botenstoff des Nervensystems (Neurotransmittel) wertvolle Dienste. Wahrscheinlich ist das NO außerdem eines der wichtigsten Moleküle im Langzeitgedächtnis. (dpa)" (Schreibfehler entstammen dem Urtext: Stickstoffmonooxid, Neurotransmitter)
4.4 Schwefelwasserstoff
Als Beispiel für die Berechnung möglicherweise freisetzbarer Mengen Schwefelwasserstoff soll die Eisensulfid-Synthese des Versuches 3.5.1 dienen. Üblicherweise werden dazu 8 g Schwefel mit 14 g Eisen gemischt und gezündet. Geht man von einer quantitativen Reaktion des Eisens mit Schwefel und einer anschließenden vollständigen Zersetzung durch Salzsäure aus, so erhält man 8,5 g Schwefelwasserstoff. Diese beanspruchen bei Raumtemperatur von t = 20°C und einer Höhe von h = 200 m üNN ein Volumen von V = 6,2 Liter (Normbedingungen: ca. 5,6 Liter). Das führt bei einem "Normklassenraum" von 150 m3 zu einer Belastung der Luft von 41 mL*m-3 (MAK = 15 mL *m-3 ). Man kann jedoch nicht davon ausgehen, daß sofortige gleichmäßige Durchmischung erfolgt. Daher führt der Versuch bei sorglosem Umgehen zu einer bedenklichen Belastung der Raumluft. Neben der Verwendung der Absorption von H2S in verdünnter Lauge und der Verwendung eines gut ziehenden Abzuges wird daher auch dringend die Reduzierung der eingesetzten Stoffportion empfohlen.
Auf die Demonstration des Geruches muß verzichtet werden. Üblicherweise werden die Schülerinnen und Schüler den Geruch nach "faulen Eiern" dennoch bemerken, da der Schwellenwert bei 0,02 mL*m-3 liegt.
4.5 Literaturhinweise
1) O.-A. NEUMÜLLER (Hrsg.); "Römpps Chemie-Lexikon" ; 7. Aufl.; Franckh'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart (1976)
2) N.N.GREENWOOD, A.EARNSHAW; "Chemie der Elemente"; VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim (1988)
enthält Angaben über die Chemie und Verwendung der aufgeführten giftigen und ätzenden Gase
3) K.-H. AHLHEIM (Hrsg.); "Die Umwelt des Menschen" in der Reihe "Wie funktioniert das?"; Bibliographisches Institut Mannheim/Wien/Zürich (1975)
enthält auf je einer Doppelseite kurzgefaßten Text und eine Aufbereitung in Form einer graphischen Darstellung zu folgenden Themen:
Der Kreislauf des Stickstoffs S. 222f
Luftverunreinigung chemische Industrie S. 340f
Luftverunreinigung - Mineralölindustrie S. 342f
Photochemischer Smog S. 346f
London-Smog S. 348f
Pflanzenschäden durch Luftverunreinigung S. 351f
Gesundheitsschäden durch Kohlenstoffmonooxid S. 376f
Gesundheitsschäden durch Stickoxid S. 378f
Ozon - Entstehung und Wirkung auf den Organismus S. 380f
Schwefeldioxid S. 382f
Müll - die Müllverbrennung S. 436f
Emissionen aus Müllverbrennungsanlage S. 438f
4) B. SCHUMACHER; "Rauchgasreinigung bei Großfeuerungsanlagen - Entschwefelung und Entstickung"; Hamburgische Electrizitäts-Werke AG (HEW), 2. Aufl., Hamburg (1991);
enthält einen Überblick über die Problematik von Kraftwerksabgasen und eine Aufbereitung der Thematik für die Sekundarstufen I und II in Form von Kopiervorlagen.
5) H. BOECK (Hrsg.); "Chemische Schulexperimente"; Band 3, Anorganische Chemie, zweiter Teil IV.-VI. Hauptgruppe; 3. Auflage Volk und Wissen Volkseigener Verlag Berlin (1988); jetzt Harri Deutsch Verlag
enthält eine sehr große Zahl chemischer Experimente in Makro- und Halbmikrodimensionierung.
Copyright 2005-2015 HMTC Halbmikrotechnik Chemie GmbH; www.halbmikrotechnik.de
Klaus-G. Häusler haeusler[at]muenster[dot]de; giftgas-soest/gase4.htm