Methode: Entwicklung einer Apparatur zur Bestimmung der Siedetemperatur  

sdt_best.htm 09.07.2011

Entwicklung einer Apparatur zur Bestimmung der Siedetemperatur  

1. Arbeitsverfahren nach GefStoffV §19.1 (neu: GefStoffV §9)

2. Skizze

 

Die Entwicklung einer Apparatur, mit der möglichst gefahrlos die Siedetemperatur einer unbekannten Flüssigkeit bestimmt werden kann.

 

komplette Apparatur zur Bestimmung der Siedetemperatur
einer unbekannten Flüssigkeit

3. Zielstellung für den forschend-entwickelnden Unterricht

Die Aufgabe lautet:

Von einer unbekannten Flüssigkeit ist die Siedetemperatur zu bestimmen.

Die Siedetemperatur wird im Gasraum über der Flüssigkeit gemessen. Die Siedetemperatur liegt vor, wenn bei gleichmäßiger Wärmezufuhr sich in allen Teilen der Flüssigkeit Gasblasen bilden und am Thermometer die Gase kondensieren und als Flüssigkeit zurücktropfen. Die Temperatur steigt nicht mehr weiter, daher wird diese Temperatur auch "Haltepunkt" genannt.

Randbedingung:

Es darf keine Substanz aus der Apparatur austreten, da sie gefährlich sein könnte.

 

4. Unterrichtsvorschläge

1. Folie aus Arbeitsauftrag

Wenn wenig Unterrichtszeit zur Verfügung steht, können fertige Arbeitsblätter oder eine Overhead-Folie (Druckvorlage als .pdf-Datei, als .doc-Datei) mit verschiedenen Apparaturen vorgestellt werden. Die gezeigten Apparaturvorschlägen sollen durch Schülerinnen und Schüler auf Tauglichkeit als Apparatur zur Bestimmung der Siedetemperatur eines unbekannten, möglicherweise giftigen, Stoffes untersucht werden.

Schülerauftrag:

  1. Finde zu jeder Apparatur A - I heraus, was gegenüber der vorherigen verändert wurde.
  2. Nenne für jede Apparatur die Vorteile und die Nachteile gegenüber der vorherigen Apparatur. Weshalb die weiteren Veränderung gemacht wurden.
  3. Beurteile, ob die hinzugekommenen Veränderungen ausreichende Verbesserungen sind, um von einer möglicherweise giftigen Flüssigkeit die Siedetempreatur zu bestimmen.

Diskussion

Apparatur A ist unzweckmäßig, da

1) unter Umständen giftige Dämpfe in die Laborluft gelangen,
2) die Siedetemperatur einer Lösung höher liegt als die des Lösemittels,
3) keine Hand für Notfälle mehr frei ist, z.B. Verbrennen am Glas.

Apparatur B vermeidet Fehler von A, sie bleibt jedoch gefährlich, da

1) Fehler A 1 bleibt, giftige Dämpfe treten aus.
2) beim Sieden das Thermometer längere Zeit gehalten werden muss,
3) Fehler A 3 kann durch Einspannen mit einer Federklammer an einem Aluminium-Vierkantstab behoben werden.

Apparatur C vermeidet die Nachteile von B, sie ist aber gänzlich ungeeignet, da

1) die allseitig geschlossene Apparatur platzen kann,
2) Siedetemperaturen mit dem Druck ansteigt.

Apparatur D ist aus dem gleichen Gründen wie Apparatur A 1 unzweckmäßig.

Apparatur E ist bedingt geeignet.

1) Das Kondensat verstopft den Luftkühler. Leichtes Drehen der Apparatur aus der Senkrechten lässt die Flüssigkeit in das Reaktionsgefäß zurücklaufen ("Rückflusskühler").
2) Das Drehen in die "falsche" Richtung bereitet die Idee der Trennung durch Destillation vor.
3) Nach kurzer Zeit wird der Luftkühler vom Gas "durchbrochen". Die Kühlwirkung, genauer Kühlkapazität, muss erhöht werden. Vorschläge, längere Luftkühler zu nehmen, machen die Apparatur unhandlich.

Apparatur F hat verbesserte Kühlwirkung durch eine Kühlwassermantel.

Jedoch tropft bei längerem Erwärmen auch bei festem Verschraubens der Dichtungen des Kühlers das Kühlwasser heraus.

Abhilfe: Druckausgleich für das Kühlwasser ( wie für Gase Apparatur C -> D)

Apparatur G

Die Apparatur H ist besser als die Apparatur E geeignet, da durch Verwendung eines Kühlers mit Wasser anstelle des Luftkühlers die Gefahr eines "Kühlerdurchbruchs" vermindert wird. Es besteht aber noch immer weiterhin die Gefahr des Austretens gefährlicher Dämpfe.

Apparatur H entspricht dem Prinzip nach den Anforderungen nach Sicherheit im Umgang mit insbesondere unbekannten Stoffen.

1) Das Experimentieren in geschlossenen Apparaturen wird erreicht. Brennbare und/oder giftige Gase oder Flüssigkeiten können nicht austreten.
2) Durch Neigen der Apparatur wird Rückfluss des Kondensats erreicht. Durch diese einfache Art des Recycling steht die Flüssigkeit nach dem Abkühlen der Apparatur nahezu vollständig zur Verfügung.
3) Man kommt mit ca. 0,5 mL Flüssigkeit aus. Bei vielen Stoffen wird selbst bei dem größten anzunehmenden Unfall (GAU), bei dem die Substanz vollständig verdampft, der maximale Wert der Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) (siehe RiSU_NRW) nicht überschritten. Der Abzug muss bei unbekannten und bei giftigen Stoffen als redundantes Sicherheitssystem zur Verfügung stehen.
4)  Es kann mit der offenen Sparflamme erhitzt werden, da wegen der kleinen Stoffportionen auch bei einen Platzen der Apparatur eine leicht brennbare Flüssigkeit gefahrlos abbrennt.

Aber:

Die kondensierte Flüssigkeit kann nicht vollständig wegen der waagerechten Stellung des Kühlrohres in das Reagenzglas zurücklaufen.

 

Diese Apparatur ist geeignet für die Bestimmung von Siedetemperaturen von ungefährlichen Flüssigkeiten. Durch das Neigen der Apparatur wird der Rückfluss in den Siedekolben erleichtert.

Für Flüssigkeiten, die giftige Dämfe entwickeln, ist sie nicht geeignet, da der Wasserkühler mit stehendem Wasser sich bei längerem Erhitzen so weit erhitzen kann, dass die Kühlwirkung nicht mehr ausreicht. In diesem Fall treten giftige Dämpfe aus.

 

Die Apparatur lässt eine Bestimmung der Siedetemperatur in einer geschlossenen Apparatur zu. Durch den aufgesetzten Kolbenprober ist die Apparatur gleichzeitig abgeschlossen, gleichzeitig herrscht in der Apparatur der gleiche Druck wie außen trotz des Aufheizen, wenn man die Reibung des Kolbens im Kolbenprober vernachlässigt.

Anmerkung: Die Alkohol-Thermometer liefern in der der Halbmikrotechnik in der Regel zu niedrige Siedetemperaturen, weil die Wärmekapazität des Thermometers ziemilch groß ist im Vergleich zur Wärmekapazität der geringen Dampfportion. Quecksilberthermometer haben eine deutlich geringere Wärmekapazität, dürfen aber wegen Giftigkeit von Quecksilber bei Glasbruch in Schülerübungen nicht mehr verwendet werden. Einen Ausweg bilden die inzwischen recht preiswerten elektronischen Digital-Thermometer.

 

5. Unterrichtsvorschlag: Konstruktionsauftrag als Hausaufgabe

Statt die fertige Folie des ersten Unterrichtsvorschlages vorzugeben kann man Schülerinnen und Schüler mit der Konstruktions als Hausaufgabe betrauen. Dazu müssen sie Kenntnis über die im Schullabor verfügbaren Geräte besitzen. Eine Möglichkeit dazu bietet ein Faltblatt der Halbmikroteile auf Papier oder als Folie.

Das Unterrichtsgespräch orientiert sich an den von den Schülerinnen und Schülern gemachten Apparaturvorschlägen. Dazu kann der Unterrichtende auf mehrere Varianten eingehen. Wenn man in der gleichen Unterrichtsstunde auch noch die Bestimmung vornehmen möchte, muss man mit ca. 20 - 25 Minuten Experimentierzeit durch die Schülerinnen und Schüler rechnen.

6. ergänzendes Unterrichtsgespräch:

Vorkommen von Druckausgleichsgefäßen im täglichen Leben.

Die Schülerinnen und Schüler kennen oft die "rote Kugel" in der Heizungsanlage ihrer Wohnung. Sie können nun den Sinn dieser Kugel erschließen. Der Wasserkreislauf der Heizungsanlage ist eine geschlossene Apparatur, die vollständig mit Wasser gefüllt ist. Zu Beginn der Heizungsperiode im Herbst wird das Wasser aufgeheizt. Dabei dehnt es sich aus und kann in ein Druckausgleichsgefäß, "rote Kugel", ausweichen.
Alternative Möglichkeit für einen Druckausgleich ist ein Überlauf (offenes System) an der höchsten Stelle des Heizungskreislaufes.

Ausgleichsgefäße existieren im Auto beim Kühlwasserkreislauf und beim Hydraulik-Bremsöl, da es hier zur Erhitzung durch langanhaltendes starkes Bremsen vorkommen kann.

7. Tafelbild als Ergänzung zur Siedetemperatur-Bestimmungsapparatur:

billig, schnell, unbedacht Primitive Apparaturen gefährden den Betreiber.
vermehrte Teilezahl, höherer Material- und Zeitaufwand Sicherheit ist mit einem Mehr an Aufwand verbunden.
Bruchgefahr, Handhabungsfehler Zu aufwendige Apparaturen stellen ein Risiko dar.

Gesucht ist die "mittlere Lösung".

Sie besitzt das kleinste Restrisiko.

Ein Restrisiko bleibt immer!

 

Literatur

Autor:

Klaus-G. Häusler