"Lüfte" -
Forschung und Lehre am Beispiel von Luft   

Inhalt

  1. Zusammenfassung
  2. Welches sind die Merkmale eines Stoffes?
  3. Platzbedarf von Stoffen
  4. Experiment und Labor
  5. Wege der Erkenntnisvermittlung 
  6. Masse von Luft 
  7. Masse von Gasen aus Druckflaschen
  8. Masse von Erdgas
  9. Absolute Temperaturskala
  10. Technische Anwendungen des Erforschten

Literatur
siehe auch Barke, Harsch: Chemiedidaktik heute

Erkenntnisbildung: Luft

Zusammenfassung

Der Chemieunterricht hat das Ziel, den sicheren und sachgerechten Umgang mit Stoffen und Gefahrstoffen zu lehren.

Entsprechend des Entwicklungsstandes der Kinder (ca. 10. Lebensjahr) ist zunächst nur ein spielerische Erlernen des sicheren Arbeitens möglich. (Lernen durch Imitation). 

Man ist als Erwachsener geneigt, das Arbeitsgebiet festzulegen, d.h. zu definieren. Eine mögliche Definition des Arbeitsgebietes ist: "Chemie befasst sich mit Stoffen, ihren Eigenschaften und Umsetzungen."

Wie wenig man etwas hinterfragt oder gar wissenschaftlich zu definieren versucht, was man aus dem Kindesalter mitbekommen hat, also "schon immer wusste", wird am Begriffes "Stoff" erläutert. Schon die Bearbeitung der physikalischen Eigenschaften von Stoffen bietet eine Reihe von Möglichkeiten Vorsichtsmaßnahmen zu erarbeiten. 

Besser ist es jedoch, den Weg der Naturerkenntnis von Grund auf zu schulen.

Will man Naturerkenntnis betreiben, so ist man auf die Beobachtung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Natur angewiesen. 

Ohne Unterschied gibt es keine Erkenntnis! Ohne Gemeinsamkeiten keine Regeln!

Nach dem Sammeln von verschiedenartigen Naturerscheinungen tritt das Sortieren, Klassifizieren (descriptive Wissenschaft), Verallgemeinern und das Herausstellen von Gesetzmäßigkeiten (induktive Wissenschaft)  bis hin zur Formulierung von neuen Erwartungen (deduktive Wissenschaft).

 

Welches sind die Merkmale eines Stoffes?

Auf die Frage an Schüler, was man unter einem Stoff versteht, bekommt man viele Antworten. Darunter sind Beispiele für Stoffe, Wasser, Stein, Eisen, (Kleidungs-)Stoffe. So kann man aber Begriffe nicht definieren, es sei denn, man zählt alle Elemente der Begriffsmenge auf und erklärt die Begriffsmenge auf die Aufzählung begrenzt. 

Das gleiche gilt für die Aufzählung von Aggregatzuständen. Später wird man erkennen, das eine Definition der verschiedenen Aggregatzustände auf einen "fehlenden" Aggregatzustand hinweist, der zur Annahme des diskontinuierlichen Aufbaus der Materie (Teilchenbegriff) führt.

 

einfache Antwort  wissenschaftliche Definition

Volumen

Mathematische Würfel haben zwar ein Volumen, es können aver beliebig viele ineinander gestellt werden. 

Eigenvolumen;
Platzbedarf

Gewicht

Gewicht (Gewichtskraft) kann keine Stoffeiegenschaft sein, denn in der Schwerelosigkeit wären Stoffe nicht mehr existent. Sie bleiben aber unverändert.

Masse 

Temperatur

passt nicht zu den anderen beiden Begriffen, da die Temperatur nicht wie die anderen von der Stoffportion abhängt.

Wärmeenergie

 

Platzbedarf von Stoffen

Wo sich ein Stoff befindet, kann man in der Regel sehen. Es gelten die einfachen Gesetze:

  1. Wo ein Stoff ist, kann kein anderer sein.
  2. Wo kein Stoff ist, muss einer hin.
  3. Es gibt keinen absolut leeren Raum.

Bestimmung des Platzbedarfs eines Stoffes ist für regelmäßig geformten Feststoffen und Flüssigkeiten kein Problem. Bei Stoffwürfel oder -quadern reicht es, die Kantenlängen zu bestimmen. Bei Flüssigkeiten benutzt man einen Messzylinder. Bei unregelmäßig geformten Feststoffen bestimmt man den Platzbedarf durch Verdrängung einer Flüssigkeit in einem Standzylinder. All das lässt sich ohne Aufwand und Gefährdung in Schülerübungen bewerkstelligen.

Bei farblosen Gasen (Luft) ist die Bestimmung jedoch schwierig, da Gase  nicht als Stoffe wahrgenommen werden. Außerdem füllen Gase jeden Raum und nehmen jede Form an, so dass sie unbemerkt verdrängt bzw. eindringen. Daher eignet sich ein Schauversuch, um den Platzbedarf spielerisch zu erschließen.

Lange Zeit waren die Äther in einem Raum angenommen wurde, wo sonst Nichts wäre.   (Aristoteles). Erst die Überlegungen und Bemühungen von Otto von Guericke (um 1620; historische Darstellung) ließen Luft als Stoff erkennen.

Seine Überlegungen waren: 

logischer Schluss: Der Raum bis hin zu den Sternen sollte ohne Luft sein. 

 

Experiment und Labor

Um Überlegungen dieser Art zu prüfen, müssen im Labor Experimente durchgeführt werden, denn

 

Wege der Erkenntnisgewinnung und Vermittlung am Beispiel der Entdeckung von Luft

An der Untersuchung von Luft durch Otto von Guericke kann man alle Stadien der Forschung und Lehre erkennen.

  1. Vorwissen und Idee: 
    Wissenschaftliche Grundausbildung. Durch Reisen nach Italien und Holland "Erfahrung" brachte sich O. v. G. auf den Kenntnisstand seiner Zeit. Dabei fiel ihm auf, dass Hügelketten je nach Entfernung allmählich im Dunst verschwinden. Anderseits kann man bis zu den Sternen sehen, wenn keine Wolken da sind, obwohl auch zur damaligen Zeit schon bekannt war, dass sie extrem weit entfernt waren. Ein möglicher Schluss ist, dass der Raum bis zu den Sternen nicht vollständig mit Luft gefüllt sein sollte. Diese idee musste nun bewiesen werden, da sie in deutlichem Widerspruch zu den bekannten Annahmen stand.
  2. Erkennen des Neuartigen:
    Folgerungen aus dem Bekannten trotz dogmenartigen gegenteiligen Ansätzen. Der Begriff "Luft (Äther)" war eng mit dem des "Nichts" verbunden, über das man nicht nachdenken kann (horror vaccui).
  3. Experimentelles Erzwingen von Unterschieden:
    Umsetzung der Idee zur Prüfung in einen Labormaßstab. Schaffung eines abgeschlossenen Systems zur Kontrolle von Energieströmen und Stoffaustausch mit der Umgebung. Hier war die Erfindung einer (luftdichten) Luftpumpe nötig. Dichtungen für Wasserpumpen waren seit dem Altertum bekannt.
  4. Materialbeschaffung und Finanzierung von Grundlagenforschung:
    Notwendigkeit der Umsetzung der Idee mit vorhandenen und neu zu schaffenden Mitteln, hier musste eine Luftpumpe erfunden werden. Die Abdichtung ist kritisch, weil keine Präzisionsdrehbänke und Dichtungsmaterialien vorhanden waren. Die Lösung bestand in der Verwendung von nassem Wildleder als Dichtung.
    Geldgeber für eine zunächst "für Nichts" zu verwendende Erkenntnis wurden benötigt. Hier trat er selbst mit seinem Vermögen als Kaufmann und bekannter Baumeister (Ingenieur) ein. Als solcher war er auch Bürgermeister von Magdeburg und Mitunterzeichner des Westfälischen Frieden von 1648, dem Ende des dreißigjährigen Krieges.
  5. Erforschung von Folgen der Entdeckung:
    Übertragung der Erkenntnisse auf den Luftdruck und Wasserpumpen (Druck- und Saugpumpe) zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen.
  6. Veröffentlichung der Erkenntnis:
    Üblicherweise findet eine Entdeckung Verbreitung durch eine schriftliche Veröffentlichung für Fachkundige, sei es als Brief wie damals üblich oder als Buch. Heute stehen weitaus mehr Publikationsorgane zur Verfügung bis hin zur Email, dem Email-Rundschreiben oder der Email-Zeischrift. Eine Bemerkenswerte Email-zeischrift ist Hyle, eine elektronische Zeitschrift für Chemie und Philosophie.
    Das Eindrucksvollste ist jedoch Umsetzung der Erkenntnis als Schauversuch
    Daneben hat aber auch eine Veröffentlichung in "unvergänglicher Form" über den erlebten Moment hinaus zu erfolgen. Dafür stehet das Versuchsprotokoll mit Versuchs beschreibung nebst Skizzen, technischen Zeichnungen einschließlich des Schauversuches.
    Otto von Guericke leistete genau das und informierte die Öffentlichkeit mit Hilfe seiner speziell für diesen Zweck geschaffenen "Magdeburger Halbkugeln", ein Versuch, der sogar dem Kaiser auf dem Reichstag vorgeführt wurde! Weiterhin schrieb er Briefe und Bücher zu dem Thema. Ein Original-Druck seiner Bücker in lateinischer Sprache liegt in der Westfälischen Universitätsbibliothek Münster. Man kann sich die Bücher im Präsenz-Lesesaal vorlegen lassen.

Masse von Luft 

Der Aufwand einen luftleeren Raum zu schaffen, um Luft zu wiegen, ist im Schullabor recht groß. In der Regel wird ein dünnwandiger Glaskolben mit einer Ölpumpe evakuiert (SiNTU V.3.7). Nach Füllung mit Luft wird die Masse der Luft als Differenz gemessen. Unter Nutzung des Volumens der Kugel lässt sich die daraus die Dichte von Luft bestimmen.
Die Schwierigkeiten beginnen jedoch schon bei der Bestimmung des tatsächlich evakuierten Luftvolumens. Das Kugelvolumen ist sicher nicht ganz evakuiert worden. Versucht man durch das tatsächliche vorliegende Vakuum Wasser einzusaugen, in der Hoffnung, dass nur so viel Wasser eingesaugt wird, wie vorher Luft entnommen war, wird man bemerken, dass das Wasser im ersten Moment des Einströmens "siedet". Offenbar verdampft ein Teil des Wassers und gleichzeitig wird die im Wasser gelöste Luft freigesetzt - die Kugel saugt demnach immer zu wenig Wasser auf.

Zusätzlich sind beim Evakuieren von bruchgefährdeten Gefäßen, insbesondere bei Glasgefäßen Sicherheitsregeln zu beachten: 

  1. Der Glaskolben muss auf Kratzer geprüft sein und sollte immer auf einer weichen Unterlage abgelegt werden. Staubkörner können bereits dünne Kratzer hervorrufen.
  2. Der Kolben muss beim Evakuieren von einem Splitterschutz- Drahtgeflecht umgeben sein. 
  3. Die Unterrichtsraum muss durch eine Splitterschutzscheibe geschützt werden. 
Halbmikrotechnik

Halbmikrotechnik ist gedacht, Experimente in Schülerübungen durchzuführen. Dazu ist eine Arbeitstechnik erforderlich, die sicheres Arbeiten parallel arbeitender Gruppen durch einen Lehrer ermöglicht. 

Wie man die Masse von Luft in Schülerübungen bestimmen kann (Bild).

Masse von Gasen aus Druckflaschen

Will man ein die Dichte eines anderen ungiftigen Gases bestimmen, so bieten  sich Gase aus Druckflaschen an , z.B. Kohlenstoffdioxid, Helium oder ein anderes Edelgas an.

Druckgasbehälter sind gesichert aufzubewahren, bereitzuhalten bzw. bereitzustellen. Auf Rollwagen müssen sie vor dem Umstürzen gesichert sein.

Sie dürfen nicht zusammen mit brennbaren Flüssigkeiten gelagert werden, brennbare Gase leichter als Luft müssen einen Sicherheitsbereich ausgehend von Flaschenventil zu Zündquellen einhalten. Die Dichte der Gase schränkt den Lagerort weiter ein, außer Pressluft und Sauerstoff dürfen Flaschen nicht in Räumen unter Ergleiche aufbewahrt werden. 

Weitere Einzelheiten sind in der SiNTU geregelt.

 

Masse von Erdgas 

Die Masse von Erdgas lässt sich leicht bestimmen, indem man den evakuierten Glaskolben mit Erdgas füllt, das aus einem Erdgashahn im Labor ausströmt. Hierzu ist eine intakte Installation der Erdgaseinrichtung des Schullabors zu beachten. Besonderes gilt für die Verwendung von Flüssiggas und Kartuschenbrennern

 

Absolute Temperaturskala (Temperatur-Messung bei Luft)

Halbmikrotechnisch (Realbild) und Skizze

 

 

Technische Anwendungen des Erforschten

Beim Ausströmen bildet sich ein Gas-Luftgemisch, das unter Umständen zündbar ist. Es können wichtige Eigenschaften solcher Gemische besprochen werden: kriechende Dämpfe, Explosionsgrenzen, Flammtemperatur, Zündtemperatur. 

Masse von Erdgas in Halbmikrotechnik

 

Ausblick auf andere Themen:

Etherbrand (Dichte brennbarer Gase, Aufbewahrungsort, Lüftungsmaßnahmen)

Entsprechend den gewachsenen Erkenntnissen sollte man die Schüler auch auf Überlegungen hinweisen, welche Bedeutung Luftschiffe hätten, würde man sie mit einem unbrennbaren Gas füllen, das leichter als Luft ist. 

zur offline-Website http://www.epilog.de/GeT/Luftfahrt/CargoLifter.htm 

Eine Analyse der Luftschiffsunglücke ergibt, dass sehr viele trotz Helium-Füllung bei Sturm havariert sind. Wie steht es um die Problemlösung für Sturm bei den "Neuen Technologien, z.B. Zeppelin NT"?  Welche Fragen müsste man an die Konstrukteure der neuen Luftschiffe stellen, bevor man Aktien der Firma kauft?

Bilddatei Zeppelin Unglück in Lakehurst bei New York

Aufgaben für Schüler sollten sich an den natürlichen Bedürfnissen ausrichten. Daher ist eine von vielen denkbaren Aufgaben: Trage  Bilder  über das große Zeppelin-Unglück in Lakehurst zusammen. Benutze dazu das Internet. Was war vermutlich die Ursache des Unglücks?

Ursache des Unfalls:  zur offline-Website http://www.fortunecity.de/roswell/lefanu/124/brand129.htm

Dabei wird auch das Thema "Elektrische Aufladung" durch Reibungselektrizität und nichtleitende Kunststoffhülle thematisiert. Verwendbar für das "Umfüllen brennbarer Flüssigkeiten, Erdungsklemme"


Challenger Explosion
(Zusammenlagerungsverbot)

Literatur

Über das Nichts; historisch bis zum Casimir-Effekt:
http://www.contextredaktion.de/linkseiten/VAKUUM.htm

Guericke, Otto von, *1602 in Magdeburg, +1686 in Hamburg, stammte aus einer Patrizierfamilie, studierte Rechtswissenschaft in Leipzig, Helmstedt und Jena und dann Mathematik in Leiden. 1626 Ratsherr in Magdeburg. Nach der Zerstörung Magdeburgs (1629) im Zuge des 30jährigen Krieges arbeitete Guericke als Bauherr beim Wiederaufbau der Brücken und Befestigungsanlagen. Zwischen 1642 und 1660 vertrat er die Stadt bei vielen diplomatischen Missionen, 1646 wurde er einer der vier Bürgermeister. 1681 legte er seine Ämter nieder und zog sich nach Hamburg zurück. 

Lit.:
Web-Lexikon historischer naturwissenschaftlicher Persönlichkeiten; Wissenschaftliche Gesellschaft Braunschweig
und 
http://www.uni-magdeburg.de/magdeburg/guericke.html

Untersuchung von Luft (mit historischen Stichen) 

©1997-2007 HMTC - Halbmikrotechnik Chemie GmbH; s-std1.htm 20.10.2007
Klaus-G. Häusler