Hans Joachim Störig stoerig298.htm 09.07.2011 |
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Hans Joachim Störig: Ausschnitte aus dem Buch: "Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft"
Inhaltsverzeichnis
Kap.10 III. PHYSIK
Ausschnitte aus dem Buch: "Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft" (S.(360) - 368-373)
1. Wärmelehre
2. Die Dampfmaschine
3. Elektrizität
Die ersten Entdeckungen elektrischer Erscheinungen durch die Griechen blieben durch Altertum und Mittelalter bekannt, wie ihre Erwähnung bei verschiedenen Autoren beweist. Doch scheint sich vor William Gilbert (S. 239) niemand mehr mit ihnen experimentell befasst zu haben. Gilbert führte das Wort Elektrizität ein (von griech. elektron = Bernstein). Genau genommen sagte er, da er lateinisch schrieb, "vis electrica", elektrische Kraft. Um 1650 taucht auch schon das Wort Elektrizität auf. Gilberts Werk leitet die moderne Entwicklung der Elektrizitätslehre ein. Im Laufe des 17. Jahrhunderts machten einige Forscher, vor allein Otto von Guericke (S. 312), weitere Experimente mit der Elektrizität. Doch erst das 18. Jahrhundert brachte die wesentlichen neuen Entdeckungen.
Gilbert hatte erkannt, dass manche Stoffe durch Reibung "elektrisch" werden, das heißt (für ihn), anziehende Kraft erlangen, andere, insbesondere die Metalle, dagegen nicht. Der Engländer Stephen Gray fand 1729 die Erklärung dafür, indem er entdeckte, dass die Metalle die Elektrizität leiten. Man konnte nun, mit einem daraufhin eingeführten Namen, unter den Stoffen die "Leiter" (Konduktoren) von den Nichtleitern oder Isolatoren unterscheiden. Man wusste, dass auch ein Leiter, sobald man ihn isoliert, elektrisch gemacht werden kann; dass er bei Berührung mit einem anderen Leiter Elektrizität an diesen weitergehen wobei die Ladung zwischen beiden geteilt wird; und dass die Ladung bei Kontakt mit der Erde verschwindet.
Den nächsten Schritt tat kurz darauf Charles Francois du Fay (1698-1739), Superintendent der königlichen Gärten in Frankreich. Er fand zwei Arten von Elektrizität. Die eine entstand durch Reiben von Glas, die andere von Harz. Er nannte sie deshalb "Glaselektrizität" und "Harzelektrizität". Du Fay zeigte, dass gleich geladene Körper einander abstoßen, ungleich geladene einander anziehen.
Weitere Fortschritte setzten voraus, dass man Elektrizität in größeren Mengen zu erzeugen und zu speichern vermochte. Das erste leistete die Elektrisiermaschine, das zweite die Leydener Flasche.
Eine Elektrisiermaschine versuchte schon Guericke herzustellen. Anfang des 18. Jahrhunderts baute man in England zum ersten Male Maschinen, die genug Elektrizität erzeugten, um eine Entladung durch Funken zu ergeben. Die Elektrisiermaschine hat keine wirtschaftliche Bedeutung gewonnen, ist aber ein wichtiges Instrument für das Studium einfacher elektrischer Erscheinungen. Die Maschine besteht in der einfachsten Form aus einer Scheibe, zum Beispiel aus Glas, die mittels einer Kurbel gedreht wird. Ein Reibzeug, zum Beispiel aus Leder, drückt gegen die Scheibe und lässt in ihr Reibungselektrizität entstehen. Ein Metallkamm entnimmt die erzeugte Elektrizität aus der Scheibe und leitet sie zu einem "Konduktor", meist einer hohlen Metallkugel, wo sie gespeichert wird. Durch Berührung des Konduktors mit der Hand kann die Ladung in die Erde abgeleitet werden. Ist sie stark genug, so springt bereits beim Annähern der Hand ein Funke über.
Die bekannte Leydener Flasche erhielt diesen Namen, weil der Holländer Musschenbroek sie um 1745 in Leyden erfand. Inzwischen weiß man, dass mindestens noch ein zweiter Gelehrter, der Deutsche von Kleist, sie gleichzeitig und unabhängig von Musschenbroek ebenfalls erfunden hat. Musschenbrock verwandte zunächst eine mit Wasser gefüllte Flasche. Bald ging man dazu Über, die Flasche außen und innen bis zu etwa Zweidrittel ihrer Höhe mit Zinnfolien zu verkleiden. Musschenbroek mit seiner Flasche war möglicherweise der erste Mensch, der bewusst einen elektrischen Schlag empfand:
Plötzlich wurde meine rechte Hand mit solcher Gewalt geschlagen, dass mein
ganzer Körper wie durch einen Blitzschlag geschüttelt wurde; mein Arm und mein Körper wurden in einer schrecklichen Weise angegriffen, die ich nicht mit Worten beschreiben kann ...
Musschenbroek glaubte sterben zu müssen und schwur, selbst nicht für die Krone Frankreichs als Belohnung einen zweiten solchen Schlag eintauschen zu wollen. Verständlicherweise wurde der elektrische, Schlag bald zu allerlei belustigenden Experimenten benutzt. Ein französischer Abbe' sandte, um seinen König zu erbauen, einen Schlag durch eine Reihe von Wachsoldaten, die sich an den Händen hielten. Später wiederholte er das mit mehreren hundert Kartäusermönchen, die bei Herstellung des Kontaktes alle zusammen einen gewaltigen Luftsprung vollführt haben sollen. - Bald erkannte man, dass leichte elektrische Schläge eine günstige Wirkung auf den Körper ausüben können.
b) Franklin
Mit Benjamin Franklin (1706-1790) begegnen wir neben Rumford einem der ersten Amerikaner, die in der Geschichte der Naturwissenschaft einen berühmten Namen haben. Franklin, Sohn eines Einwanderers aus England, war zuerst Buchdrucker. Im Umgang mit Büchern erwarb er umfassende Bildung. Später wurde er Generalpostmeister und nach der Unabhängigkeitserklärung 1776 Gesandter der Union in Paris. Einige Experimente mit der Leydener Flasche lenkten Franklins Aufmerksamkeit von den vierziger Jahren ab auf die Elektrizität. Von seinen beiden wichtigsten Leistungen auf diesem Gebiet ist die eine mehr praktischer, die andere mehr theoretischer Natur.
Identität des Blitzes mit dem elektrischen Funken hatte man schon früher vermutet. Franklin wies sie als erster experimentell nach. Er führte vor,
dass er mit der Elektrizität, die er beim Gewitter "aus den Wolken zog", die gleichen Wirkungen wie mit auf anderem Wege gewonnener Elektrizität erzielen, zum Beispiel eine Leydener Flasche aufladen konnte. Berühmt ist Franklins Versuch aus dem Jahre 1752. Er selbst berichtet über das Verfahren in einem Brief
:
... so mag es für die Wissbegierigen von Nutzen sein zu erfahren, dass das gleiche Experiment (d. h. Elektrizität aus den Wolken zu ziehen) in Philadelphia gelungen ist, jedoch in einer anderen und einfacheren Form, die jedermann selbst versuchen mag, nämlich wie folgt:
Nimm ein Kreuz aus zwei schmalen Streifen Zedernholz; die Arme so lang, dass sie gerade zu den vier Ecken eines großen dünnen Seidentaschentuchs reichen, wenn es ausgebreitet ist; befestige die Ecken des Tuches an den Enden des Holzes. So hast du den Rumpf eines Drachens, welcher gehörig versehen mit Schwanz, Schleife und Schnur, in die Luft steigen wird wie einer aus Papier; aber dieser, da er aus Seide ist, ist besser geeignet, Nässe und Wind während eines Gewitters auszuhalten, ohne zu zerreißen. An der Spitze des senkrechten Kreuzarms ist ein Draht mit sehr scharfer Spitze zu befestigen, der etwa einen Fuß oder mehr über das Holz hinausragt. Am Ende der Halteschnur nächst der Hand ist ein Seidenband anzubinden; wo Schnur und Seide zusammentreffen, mag man einen Schlüssel befestigen.
Den Drachen lässt man steigen, wenn ein Gewitter im Anzuge scheint ... und derjenige, der die Schnur hält, muss in einer Tür oder einem Fenster oder unter irgendeinem Obdach stehen, so dass das Seidenband nicht nass wird; und man muss Sorge tragen, dass die Schnur nicht den Tür- oder Fensterrahmen berührt.
Sobald Gewitterwolken über den Drachen kommen, wird der gespitzte Draht das elektrische Feuer aus ihnen ziehen; der Drachen mitsamt der ganzen Schnur wird elektrisiert werden; die losen Fasern der Schnur werden sich in allen Richtungen auseinandersträuben und durch einen angenäherten Finger angezogen worden. Wenn der Regen Drachen und Schnur durchfeuchtet hat, so dass sie das elektrische Feuer frei leiten können, wirst du es reichlich aus dem Schlüssel strömen sehen bei Annäherung deines Knöchels ...
Diese Versuche führten Franklin zur Erfindung des Blitzableiters.
Durch andere Versuche, deren Anordnung im einzelnen wir hier übergehen, kam Franklin zu bestimmten theoretischen Schlussfolgerungen über das Wesen der Elektrizität. Nachdem er demonstriert hatte, dass zwei Ladungen der von du Fay entdeckten verschiedenen Elektrizitätsarten sich gegenseitig neutralisieren können, stellte Franklin die Hypothese auf, es gäbe nur eine Art Elektrizität. Diese, nach Art eines "Fluidums" gedacht, ist auch in ungeladenen Körpern vorhanden, ruft aber dann keinerlei feststellbare Wirkungen hervor. Die eine der von du Fay demonstrierten Elektrizitätsarten besteht in einem Überschuss an diesem Fluidum, die andere in einem Unterschuss. Deshalb nannte Franklin die Glaselektrizität nun "positive" und die Harzelektrizität "negative". So war erklärt, wie sich zwei entgegengesetzte Ladungen neutralisieren können. So konnte auch eine ganze Reihe weiterer damals bekannter Phänomene, unter anderem die Leydener Flasche, erklärt werden.
c) Aepinus. Priestley. Cavendish. Coulomb
Im Anschluss an Franklins Gedanken unternahm Franz
Ulrich Theodor Aepinus (1724-1802), ein Deutscher, der in Petersburg als Professor der
Physik und Mitglied der russischen Akademie der Wissenschaften wirkte, den ersten Versuch, die mathematische Betrachtungsweise auch auf die Elektrizitätslehre anzuwenden. Mit seiner Theorie versuchte Aepinus auch die um die Mitte des Jahrhunderts von verschiedenen Forschern entdeckten Erscheinungen der Induktion zu erklären.
Auch die beiden Chemiker Priestley und Cavendish (S. 374) förderten die Elektrizitätslehre. Priestley wies u. a. nach,
dass das Gesetz der umgekehrten Quadrate, das für die Gravitationswirkung gilt, auch für die elektrische
Anziehung und Abstoßung zutrifft. Er schrieb auch eine Geschichte der Elektrizitätslehre bis zu seiner Zeit. - Cavendish machte ganze Serien von elektrischen
Experimenten. Von ihnen erfuhr aber die Welt erst, als Maxwell die Aufzeichnungen Cavendishs im Jahre 1879 herausgab. Es zeigte sich dann,
dass Cavendish einen großen Teil der späteren Entdeckungen vorweggenommen hatte. Er hatte aber, wahrscheinlich weil er seine Ergebnisse noch nicht zur Veröffentlichung reif erachtete, alles zurückgehalten. Diese nachgelassenen Papiere erweisen Cavendish als einen der größten experimentellen Forscher der Neuzeit.
Aus den Beiträgen des französischen Ingenieurs Charles Auguste Coulomb (1736-1806) seien wiederum eine praktische und eine theoretische Leistung hervorgehoben. Die praktische: es gelang
Coulomb zuerst, die Kräfte zwischen zwei kleinen geladenen Kugeln mit einer Torsionswaage zu messen. Dabei fand er unabhängig von den eben Genannten das Gesetz der umgekehrten Quadrate. In der Theorie führte Coulomb - neben anderen - die These ein,
dass es nicht eine Art von Elektrizität gäbe, wie Franklin lehrte, sondern doch zwei verschiedene. Partikel der gleichen Art stoßen sich ab; verschiedene ziehen sich an. Im ungeladenen Körper
ist ein Gleichgewicht beider Arten vorhanden. Auch diese Theorie vermochte die damals bekannten Erscheinungen zu erklären.
d) Galvani
Die bisher behandelte Elektrizitätslehre hatte es nur mit statischer Elektrizität zu tun, mit Ladungen, ihrem Verhalten und ihren Wirkungen, aber nicht mit dem elektrischen Strom. Dieser wurde erst im letzten Viertel des Jahrhunderts entdeckt und erforscht, hauptsächlich durch die beiden Italiener Galvani und Volta,
Es war bekannt, dass manche Fische Schläge austeilen. Sobald man den elektrischen Schlag durch die Leydener
Flasche kennen gelernt hatte, vermutete man, dass jene Schläge auch elektrischer Natur seien. Der italienische Anatomieprofessor Lunge Galvani (1737-1789) beschäftigte sich mit Studien in dieser Richtung. Im Jahre 1793 hatte er einen Frosch seziert und auf einem Tisch befestigt, auf dem eine Elektrisiermaschine stand. Als ein Student mit dem Skalpell einen Nerv des präparierten Frosches berührte, beobachtete man eine heftige Zuckung des Froschschenkels. Da das mit der
Elektrisiermaschine zusammenzuhängen schien; beschloss Galvani, zu prüfen, ob vielleicht während
eines Gewitters auch derartige Wirkungen aufträten. Er präparierte mehrere Frösche und hängte sie auf Messinghaken an seinen eisernen Gartenzaun. Beim Aufhängen geschah es,
dass ein Froschbein zugleich mit dem Zaun und mit dem Messinghaken in Berührung kam. Darauf erfolgte wieder die schon beobachtete Zuckung! Galvani wiederholte den Versuch im Zimmer mit gleichem Erfolg. Offenbar bedurfte es keines Gewitters, sondern die Berührung des Frosches mit beiden Metallen gleichzeitig verursachte die Zuckung.
Die Deutung, die Galvani seinen Beobachtungen gab, war freilich irrig. Er glaubte, im Froschschenkel sei eine Elektrizitätsmenge aufgespeichert, die sich bei Berührung mit den beiden Metallen entlade. Er nannte sie "tierische" oder "animalische" Elektrizität.
Mit der Elektrisiermaschine und der Leydener Flasche konnte man beachtliche Mengen Elektrizität erzeugen und speichern. Man konnte einen mächtigen Funken hervorzaubern. All dies aber diente, abgesehen von der Verwendung des Funkens bei chemischen Versuchen, nur zur wissenschaftlichen Demonstration oder zur Erbauung. Wirtschaftliche Bedeutung gewann die Elektrizität erst mit der Entdeckung des elektrischen Stromes. Nun hatte Galvani diesen tatsächlich entdeckt; da er aber falsche Folgerungen aus seinen Beobachtungen zog, fällt der größere Teil des Ruhms, die praktische Verwendung der Elektrizität eingeleitet zu haben, seinem Landsmann Volta zu.
e) Volta
Alessandro Volta (1745-1827) trat Galvanis Deutung sofort entgegen mit der These, der Froschschenkel sei nicht die Quelle der Elektrizität, sondern nur gewissermaßen das Elektroskop, das die Elektrizität anzeigt. Er bewies das alsbald, indem er demonstrierte, dass eine elektrische Entladung auch zu erzielen ist, wenn zwei Metallplatten nicht durch organische Substanz, sondern durch andere Mittel verbunden werden. Das war 1795. Volta untersuchte eine ganze Reihe von Metallen auf ihre Fähigkeit, diese Wirkung hervorzubringen, und stellte dabei die sogenannte Spannungsreihe der Metalle auf.
Volta fand schnell heraus, dass er die beste Wirkung erreichte, wenn er mehr als nur ein Paar Metallplatten nahm. Auf Grund dieser Erfahrung baute er die berühmte "Voltasche Säule". Er legte kreisförmige Scheiben aus Zink, angefeuchteter Pappe und Kupfer in dieser Reihenfolge in mehreren Lagen aufeinander. Am einen Ende war also eine Zink-, am anderen eine Kupferplatte. Brachte man einen an einem Ende angeschlossenen Draht in die Nähe des anderen, so ergab sich ein Funke. Er war zwar schwächer als bei einer Leydener Flasche, aber man konnte eine unendliche Zahl von Funken gewinnen, ohne dass die Wirkung erlahmte.
Nach dem gleichen Grundsatz schuf Volta die sogenannte "Galvanische Batterie". Sie besteht aus einer Reihe von hintereinandergeschalteten Zellen oder "Elementen". jede Zelle besteht aus einem Glasgefäß mit verdünnter Säure, in das je ein Stück Kupfer und Zink hineingetaucht sind. Die Kupferplatte des einen Elements ist mit der Zinkplatte des nächsten verbunden.
Voltas Batterien sind das Urbild aller später entwickelten. Batterien blieben die einzige Stromquelle bis zur Erfindung des Dynamos. Mit ihnen konnte man zum erstenmal einen stetig fließenden elektrischen Strom erzeugen. Das eröffnete den Weg zu den umwälzenden praktischen Anwendungen der Elektrizität, zunächst
jedoch erst zu einer imponierenden Reihe neuer Versuche und Entdeckungen. Da
Volta seine Batterien gerade im Jahre 1800 baute, haben wir hier einen Anlass,
die Betrachtungen zunächst abzuschließen und im folgenden Kapitel neu zu
beginnen mit den Arbeiten, die unmittelbar auf Volta folgten.
A.F. Fourcoy, The Philosophy of Chemistry, 1800. Zit. n. Taylor: History.
S158/59
Brief Benjamin Franklins an Peter Collinson vom 1. Okt. 1752,
veröffentlicht Philosophical Transactions, Bd. 47, S. 565. Zit. n. Taylor:
History. S 154/55
Autor: | Hans Joachim Störig |
Titel: | Kleine Weltgeschichte der Wissenschaft |
Kurzbeschreibung: | |
Verlag | Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart 1954 |
ISBN-Nummer: | -keine- vergriffen |
Literatur und Bearbeitung | |
Bearbeitung (www): | Klaus-G. Häusler |
© 2002 HMTC
- Halbmikrotechnik Chemie;
Klaus-G. Häusler;
haeusler[at]muenster[dot]de;
stoerig360.htm
26.11.03