Auf den Lehrer kommt es an |
Gesigora macht dies an den 1999 in Kraft gesetzten neuen Richtlinien und Lehrplänen für die gymnasiale Oberstufe im Fach Englisch fest. In diesen ist auf den 157 Seiten des Lehrplans nur sechzehn mal von den Lehrerinnen und Lehrern die Rede ist. Dabei wird von ihnen zumeist als »Lehrkräften«, zuweilen als Fachlehrerinnen und Fachlehrern«, oft nur im Doppelbegriff »Lehrende und Lernende« gesprochen. Die seit dem Ende der 60er Jahre nahezu unangefochten herrschende Reformpädagogik hat offensichtlich eines ihrer wichtigsten Ziele erreicht, nämlich die in ihren Augen einzig wünschenswerte und daher auch einzig zulässige Form der Unterrichtsgestaltung durchzusetzen, nämlich die eines nahezu ausschließlich schülerorientierten Unterrichts, in dem der Lehrer nur eine deutlich untergeordnete Rolle spielen darf, am besten gar nicht in Erscheinung tritt. Für die Verfechter eines derartigen Konzepts gilt als wichtigster Grundsatz: allein die Wünsche und Interessen der Schülerinnen und Schüler dürfen den Unterricht steuern, diese sollen möglichst alle Entscheidungen über die Ziele und Inhalte des Unterrichts treffen, sie bestimmen auch die Arbeitsformen und Methoden. Die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer beschränkt sich in einem solchen Konzept auf Beratungsaufgaben. Die von Gesigora so bezeichnete »Euphoriepädagogik« geht offensichtlich ohne den geringsten Zweifel an der Richtigkeit einer derartigen Vorstellung von einem Schüler aus, der uneingeschränkt und immer lernwillig ist, der jeden Tag nur von dem Wunsch beseelt, etwas Neues zu lernen und sich mit aller Kraft darum zu bemühen, die Schule betritt und der vom Erreichen dieses Zieles nach Meinung der Verfechter einer solchen Vorstellung nur dadurch abgehalten werden kann, wenn ihm die Lehrer dabei zu wenig Freiraum lassen. Das heilige« Kind bedarf nach einer solchen Auffassung von Erziehung zur Entdeckung der Welt und für die Entwicklung seiner vielfältigen Fähigkeiten äußerstenfalls eines Beraters, im Fachjargon eines »learn facilitators«. Das herkömmliche Verständnis vom Lehrerberuf verträgt sich nicht mit einem solchen Bild von Schule und Unterricht. Daher muss die Forderung erhoben werden, dass der Lehrer verschwinden muss, damit das richtige Lernklima erreicht werden kann. Es ist für die Verfechter einer solchen Theorie allerdings bedauerlich, dass manche Lehrer dazu nicht bereit sind, weil es ihnen an der nötigen Einsicht fehlt. Dies muss an deren fehlender Qualifikation für ihren Beruf liegen. Für Peter Struck ist das bei siebzig Prozent aller Lehrerinnen und Lehrer der Fall, nach Tenorth gehört immerhin ein Drittel zu diesen Uneinsichtigen. Ludger Gesigora deckt das Missverhältnis zwischen dem von den Verfechtern der Euphoriepädagogik Gewollten und dem tatsächlich in den Schulen zu Beobachtenden auf. Er stützt sich dabei vor allem auf die Ergebnisse der TIMSS- und BIJU-Untersuchung stützen. Er kritisiert die Überheblichkeit, mit der die »Innovationspädagogen« auftreten und andere Vorstellungen von Schule und Unterricht verächtlich machen, ja als undemokratisch diskreditieren. Man wünscht Gesigoras Appell zu größerer Verantwortlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer im Lern- und Erziehungsprozess der Schule eine möglichst breite Aufnahmebereitschaft. Sein Plädoyer für die Wiederherstellung der Autorität des Lehrers und von dessen Verantwortung für das, was in Unterricht und Erziehung geschieht, meint nicht, dass die Schülerinnen und Schüler in Zukunft wieder in die Rolle der bloßen Rezipienten der Unterrichtsstoffe und von kritiklosen Nachbetern des durch die Lehrerinnen und Lehrer Vermittelten verwiesen werden. Vielmehr sollen sie durch einen überlegten und von den Lehrern überzeugend gestalteten Unterricht zu Selbstständigkeit und Urteilsvermögen erzogen werden, vorrangig mit Hilfe des erworbenen Wissens- und der erlernten Fähigkeiten und nicht auf Grund eines weitgehend inhaltsleeren Selbstbewusstseins. |
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